am 21.11.2009 organisierte der BLLV eine Informationsveranstaltung zum Thema “Gestaltung von Schulen”…wir waren dabei!
Eine Delegation aus Immenstadt besuchte am 20. November die Fachvorträge.

Als Quintessenz der Vorträge von Martin Göb (Abteilung Schul- und Bildungspolitik im MLLV), Prof. Forster (Pädagogin), Volker Heid (Bay. Architektenkammer), Prof. Rittelmeyer (Psychologe) und weiteren, kann man feststellen, dass die Stadt Immenstadt auf dem absolut richtigen Weg ist das Thema Schulbau anzugehen. Die aus diesen Vorträgen hervorgehende Notwendigkeit alle Beteiligten (also Schüler, Lehrer, Eltern, Gemeinde, Planer) in ein Boot zu nehmen, um zum richtigen Ergebnis zu kommen wird in Immenstadt vorbildlich seit vielen Monaten praktiziert.

Die einzelnen Vorträge in Stichpunkten:

Problemaufriss von Martin Göb, BLLV Abt. Schul- und Bildungspolitik

„Menschen suchen Orte die ihren vielfältigen Bedürfnissen Raum geben“

Er verglich dies mit Touristen. Diese suchen Orte zum Erleben, Fühlen, Wohlfühlen etc. auf.

„Erst gestalten wir die Räume, dann prägen sie uns“

Erfolgreiches Lernen findet statt, wenn man sich psychisch-sozial in einem angenehmen Zustand befindet. Schule hat den Auftrag Integration und Inklusion.

Lt.Wikipedia: Die inklusive Pädagogik ist ein neuer Ansatz der Pädagogik, dessen wesentliches Prinzip die Wertschätzung der Diversität (Vielfalt) in der Bildung und Erziehung ist. Befürworter der Inklusion betrachten die Heterogenität als eine Gegebenheit, die die Normalität darstellt. Sie plädieren für die Schaffung einer Schule, die die Bildungs- und Erziehungsbedürfnisse aller Schüler zu befriedigen hat.

Eine Schule muss aber auch als Arbeitsplatz für die Lehrer ausreichend Raum geben.

Die Münchner Schulen wurden früher sehr gut gestaltet und ausgestattet und daher öfter als Schulpaläste (z.B. Stieler Schule)  bezeichnet.

Inzwischen seien Schulen oft betonierte Lernhindernisse.

Bei Schulneubauten sei es auch ganz wichtig, dass das Copyright des Architekten  nicht so weit gehen dürfe, dass die Lehrer an der neuen Schule nichts verändern dürfen.

Zu erfüllen sind bei einem Schul-Neubau:

die gesetzlichen Vorgaben (Brandschutz, Energieeinsparverordnung, Unfallverhütung,  Helligkeit/Licht, Akustik etc.)
Förderrichtlinien zum Standard Raumprogramm (Faustformel für Klassenzimmergröße 2m2 /Kind) nach dem Motto Raum ist kostbar) wenn an den Gängen durch geschickte Architektur Fläche eingespart wird, darf dies unglücklicherweise nicht zu den Klassenzimmern addiert werden.

Eine Überarbeitung der Formel mit den Zwei Quadratmetern sei dringend nötig. Ein zweites Problemfeld sei die die ausreichende Beteiligung der Pädagogen an der Planung. Eine paritätische Besetzung Lehrer/Architekten sei dringend nötig. Wichtig bei der Planung seien natürliche Materialien, Haltbarkeit, Vielfalt, Flexibilität. Schule müsse als kulturelles Zentrum, Literaturhaus usw. erlebt werden. Anregungen und Hinweise finden sich unter www.adz-netzwerk.de

Ein Spruch von Karl Valentin hierzu: „Kein Geld ist immer da“

Pädagogische Qualitätskriterien für Schulbauten von Prof. Johanna Forster

Beim Schulbau sind  berücksichtigen:

–          Erweiterte Funktionen (Mittagsbetreuung, Ganztagesschule, Multifunktionale Nutzung)

–          Die Schule als der Dritte Erzieher

–          Ein Schulbau kann Entwicklung, Lernen, Lehren fördern.

Für Schulbauprofile werden spezielle Qualitätskriterien abgeleitet aus den Forschungsgebieten Psychologie und Humanethologie, die die Wirkung von gebauter Umwelt (Raumwahrnehmung, Raumgestaltung, Psyche-Emotionale Aspekte, Soziale Aspekte) auf Umweltanpassung und Universalien untersucht.

Negative Beispiele von Schulbauten können als indirekte Wirkung bei Kindern die Kommunikation, das Sozialverhalten, das Bewegungsverhalten bis hin zum Vandalismus  beeinflussen. Diesem sensiblen Entwicklungsraum können sich Kinder nicht entziehen. Der Raum wird in zwei Richtungen bewertet.

1. Objektiver Raum = Farben, Formen, Textilien, Zustand, Raumgröße

2. Sozialer Raum = Raumstruktur, Funktionsraum, Arbeitsraum, Rückzugsraum , öffentlicher Raum

Farbgestaltung: Rot / Orange = anregend, Blau /Grün = dämpfend,

Starker Farbkontrast = unruhig erregend

Wichtig: Hell oben, Dunkel unten,

Negativbeispiel: so genannter Tunneleffekt erhöht das Tempo (wird durcheilt)

Der Lichteinfluß ist sehr wichtig, wenn der UV-Anteil zu gering ist, führt dies zu Aggression

Schwarz und dunkle Farbtöne sind zu vermeiden. Monochrome Räume (Decke, Boden, Wand gleich),

ergeben eine schlechte Orientierbarkeit, Seekrankheit, bis zu somatischen Effekten.

Die Schulraumgröße von 2m2 / Kind führen zu mehr Aggression und Vermeidungsverhalten, denn Kinder haben hier wenige  Kompensations-Strategien.

Probleme in Klassenzimmern kann begegnet werden durch klein strukturierte Raumpartien, Pflanzen, Objekte, Stellwände. Für Pausenhöfe sind 5m2 pro Kind vorgeschrieben. Nürnberger Studien untersuchten das Verhalten und die Interaktionen der Kinder aufgrund des Pausenhofcharakters.

Die abschließende Frage von Prof. Dr.J.Forster war, wie kann ein integrativer Prozess zielführend gestaltet werden?

Architektonische Qualitätskriterien für Schulbauten von Architekt Volker Heid

Zitierte Goethes Faust „ Ein jeder lernt nur, was er lernen kann“

Schulbauten seien oft  auf Erwachsene, statt auf Kinder zugeschnitten.

Das Tageslicht mit seinem natürlichen Spektrum ist sehr wichtig.

Neubauten müssen flexibel, ökologisch sein und die pädagogischen Konzepte berücksichtigen.

Wenn alle DIN-Normen eingehalten werden, kann es z.B. nicht sein, dass die Akustik nicht stimmt.

Die Pädagogischen Konzepte müssen in einem Pflichtenheft sehr genau beschrieben sein, damit bei einem Wettbewerb die einzelnen Architekten-Entwürfe auch verglichen werden können. Z.B. Klassenzimmer mit Gruppenräumen dazwischen. Für Gruppenarbeit können auch die Flure einbezogen werden. V. Heid gewann einen Wettbewerb in der Oberpfalz (Volksschule Schwandorf). Der Baubeginn hat sich jedoch noch verzögert, weil die Regierung der Oberpfalz über den Fortbestand von Grund- und Hauptschulen zu wenig weiß.

Wirkung v. Schul- und Raumprogramm auf Schüler von Prof. Christian Rittelmeyer, Psychologe

Er ließ Wettbewerbssieger bei Schulneubauten von den Schülern bewerten. Eine Berliner Schule wurde folgend bewertet: kantig eckig, Fabrik, Krankenhaus, Ausbildungszentrum für Klontruppen.

Eine Schule in Köln: gute Atmosphäre, entspannend, hell, einladend etc.

Die Bewertung der Architekten und der Nutzer liegen des Öfteren sehr weit auseinander. Wo der Architekt seine Räume mit „Sichtbeton als moderne Architektur preist, die später eine wunderbare Patina erhält“, und die schwarze Wand ein guter Hintergrund für das Spiel der bunten Kinder sei (wurde von Rittelmeyer als intellektuelles Stroh bezeichnet), kam von Lehrern die Aussage „die schwarzen Wände halte wir nicht mehr aus“.

Speziell Kinder bräuchten in ihrer Entwicklung eine sichere Orientierung im Raum. D.h. gerade Wände, Decke hell, Boden dunkler, als feste Bezugspunkte. Schulbauten entscheiden mit über das Bildungsergebnis der Kinder. Sie sollten abwechslungsreich, warme und weiche Farben und Formen, freilassend und befreiend wirken. Es sollte ein Kompromiss zwischen Konzentrationsunterstützung und Transparenz nach Außen gefunden werden. Das Inventar und die Farbgestaltung sollten von einer Hand gestaltet werden. Flure sollten Abwechslungsreich und nicht monoton wirken. Wärmere Farben sind sehr wichtig für Grundschulkinder. Für altere Kinder und in Naturwissenschaftlichen Räumen sind eher kühlere Farben angemessen. In Gelsenkirchen steht eine Schule des Architekten Peter Hübner. Nach Meinung des Vortragenden ist dieser Architekt der Schule der Zukunft am nächsten.

Am Nachmittag wurden die Teilnehmer auf drei Arbeitsgruppen verteilt.

Den Vortrag in unserer Gruppe hielt eine Architektin aus Berlin zum Thema:

Architekturstudenten und Schüler planen ihre Schule (Erika- Mann-Grundschule).

Die Schüler erstellten nach ihren Ideen kleine 3-D-Modelle. Die besten Ideen wurden dann von den Studenten für die Gänge und Gemeinschaftsräume (im Jahr 2003) umgesetzt.

Abschluss-Podiumsdiskussion

Für mich war der interessanteste  Podiumsgast Herr Auer vom Regierungsbezirk Oberbayern als Zuständiger für die Zuschüsse: Über die Förderung wird erst am Schluss des Antrages beurteilt und entschieden, dann kann die Fläche nicht mehr verändert werden. Der Fördersatz schwankt von 35 bis 62%, je nach Finanzkraft der Kommune. Wenn bei den Gängen und Nebenflächen durch geschickte Anordnung der Klassenzimmer Fläche gespart wird, kann dies (auf meine Frage) den Klassenzimmern jedoch nicht hinzugerechnet werden. Herr Auer nutzt jedoch seinen Spielraum zu Gunsten der Antragsteller. Ein Tipp war die Verkehrsflächen geschickt mit den Aulaflächen zu kombinieren. Das Ziel der Regierung sind 10% des Haushaltes für Bildung auszugeben. Tatsächlich ausgegeben werden jedoch nur ca. 5%.

Die Aussage von Herrn Dr. Schäffer zum Abschluss der Veranstaltung war: Die Schule wandelt sich immer mehr zum Lebensort. Darum ist es ganz wichtig, dass die Zwei-Quadratmeterformel (stammt noch aus der Zeit des Frontalunterrichts) geändert wird.

Speziell erwähnte er noch, dass im Kultusministerium niemand der Einladung zu dieser Veranstaltung gefolgt sei. Die Begründung war: Für das Thema Architektur und Pädagogik fühlt sich das Kultusministerium nicht zuständig.

Peter Schmid